Reifezeiten: Zur Bedeutung der Zeit in Bildung, Politik und politischer Bildung

Im April 2010 kamen Politikwissenschaftler, Erziehungswissenschaftler und Fachdidaktiker in der Otto-Friedrich-Universität Bamberg zusammen, um den Umgang mit Zeit in Politik und Bildung interdisziplinär zu diskutieren. Es stellten sich unteranderem folgende Fragen:

Wie lässt sich die Berechtigung der bereichsübergreifenden Klage über knappe Zeit empirisch überprüfen? Welchen Einfluss hat Zeitdruck auf die Qualität von Entscheidungs- und Bildungsprozessen? Zu welchen Ergebnissen führt „beschleunigtes“ Entscheiden und Lernen? Unter welchen Bedingungen erhöht und unter welchen Bedingungen reduziert Zeitdruck die Qualität von Politik und Bildung? Bis zu welchen Grenzen lassen sich kollektive und individuelle Such- und Formungsprozesse beschleunigen? Welche Zeitmaße sind den jeweiligen Prozessen angemessen? Wie soll der Umgang mit Zeit gestaltet werden, damit im Kontext von Politik und Bildung Orientierungen in Richtung auf Menschenwürde und Mündigkeit, Gemeinwohl und Verantwortungsbereitschaft, Nachhaltigkeit und Zukunftskompetenz reifen können? Was folgt aus diesen Fragen für die politische Bildung und ihre Didaktik?         Die Antworten auf diese Fragen sind in diesem Band dokumentiert.

„Der Zeitdruck steigt, auch in Schulen und Parlamenten. Das beklagen Viele. Ist diese Klage berechtigt? Dient das Bemühen um Zeitersparnis im Kontext von Bildung und Politik tatsächlich den Zielen, die dabei erreicht werden sollen? Wie groß sind die Risiken der Beschleunigung hinsichtlich der Qualität der Ergebnisse, nämlich der Formung der individuellen Persönlichkeit des Menschen wie des politischen Willens der Gesellschaft? Verstärkt der Zeitdruck die Tendenz zu Oberflächlichkeit und Kurzsichtigkeit? Welche Maßstäbe für einen wünschenswerten Umgang mit Zeit gibt es eigentlich? Unter welchen Voraussetzungen können Mündigkeit und Menschenwürde, Verantwortungsbereitschaft und Gemeinwohl, Zukunftskompetenz und Nachhaltigkeit wirklich heranreifen?
Ausgewählte Autoren mit unterschiedlichem professionellen Hintergrund aus Wissenschaft und Praxis zeichnen ein vielschichtiges und mehrdimensionales Bild des Faktors Zeit und diskutieren, was dieser für Bildung, Politik und politische Bildung bedeutet. Der Band gibt damit einen Überblick über den Stand der fachlichen Diskussion.“ (aus dem Klappentext)

Inhaltsverzeichnis
I. Der Mensch und seine Zeiten thematisches Umfeld
Karlheinz A. Geißler, Der Simultant.  Kulturgeschichtliche Betrachtungen zu einer Sozialfigur der Gegenwart
Olaf Morgenroth, Wer hat an der Uhr gedreht? Psychologische Betrachtungen zum Umgang mit Zeit
II. Schule, Bildung und Zeit erziehungswissenschaftliche Zugänge
Ursula Drews, Aus Geschichten kann man lernen oder nicht. Zeitreichtum und Zeitmangel in Schule und Unterricht
Horst Rumpf, Die entkräftete Zeit. Über offenes und vorerledigtes Lernen
Manfred Molicki, Die Zeitkultur-Schule: Schule des 21. Jahrhunderts. Ansätze aus der Schulentwicklungspraxis für einen notwendigen Paradigmenwechsel
Horst Schaub, Die Entwicklung von Zeitvorstellungen, Zeitwissen und Zeitbewusstsein bei 6- bis 12-jährigen. Vorbereitung auf das Leben im Klimawandel
Manfred Garhammer, Bachelor Studieren unter Zeitdruck. Eine Zeitbudgeterhebung von Studierenden der Sozialen Arbeit und Anmerkungen zur
beschleunigten Herstellung der Ressource Bildung
III. Demokratie, Willensbildung und Zeit politikwissenschaftliche Zugänge
Markus Heindl, Entscheidungsprozesse in Politik und Verwaltung unter Zeitdruck. Ursachen, negative Konsequenzen und Gegenmittel
Reinhard Zintl, Das Verhältnis zwischen Politik und Zeit aus demokratietheoretischer Perspektive
Ulrich Mückenberger, Das Recht auf eigene Zeit. Bedeutsam (auch) für Bildungsprozesse?
Fritz Reheis, Wie reift der politische Wille? Thesen zur Eigenzeitlichkeit von Identität und Willensbildung
IV. Politische Bildung und Zeit politikdidaktische Zugänge
Dirk Lange, Wie aus Zeit politischer Sinn wird. Konturen des politikgeschichtlichen Lernens
Michael Görtler, Politikdidaktik und Zeit
Frank Schiefer Es ist nicht zu wenig Zeit, die wir haben, aber zu viel, die wir verschwenden (Seneca). Zur Ambivalenz im Umgang
mit Zeit in der politischen Bildung
Wolfgang Beutel, Schulzeit, Projektzeit, Wettbewerbszeit. Demokratiepädagogik im Spannungsfeld von Schulroutine und Schulentwicklung
Jörg Schröder, Das Leibliche ist politisch als Sensorium, Erfahrungsspeicher und Ratgeber
Andreas Brunold, Zeit und Zukunftsorientierung im Spannungsfeld einer politischen Bildung für nachhaltige Entwicklung
Ludwig Heuwinkel, Chancen und Risiken veränderter Zeitstrukturen in Erwerbsarbeit und Familie. Didaktische Reflexionen und Materialien zur unterrichtspraktischen Umsetzung in der Sekundarstufe II

Jetzt bestellen

Rezension einsenden?

Schreiben Sie uns an info@zeitkultur.com