Chillout – Wege in eine neue Zeitkultur

Dass es durchaus Maßstäbe für angemessene Geschwindigkeiten und verträgliche Beschleunigungsprozesse gibt, ist die ebenso optimistische wie konstruktive Botschaft des Sozialpsychologen und Kulturphilosophen Michel Baeriswyl. In seiner u.a. durch die Tutzinger Zeitakademie inspirierten Untersuchung „Chillout – Wege in eine neue Zeitkultur“ diagnostiziert er zwei Melodien, eine vorherrschende Beschleunigungs- und eine leisere Entschleunigungsmelodie, die aber beide in einen einzigen mächtigen Chor eingebunden sind. Dessen Hymne ist die Herrschaft über die Zeit. Dirigiert wird dieser Chor durch die „unheilige Allianz von Aufklärung, Technik und Ökonomie“, die letztlich ein Produkt der raum-zeitlichen Verdichtung von Verhältnissen und Beziehungen ist, wie sie sich im Laufe des Zivilisationsprozesses herausgebildet hat. Baeriswyl möchte die Aufklärung aufklären, indem er an die Stelle des Versuchs der Kontrolle der Zeit und des Ideals der Emanzipation des Menschen von der Zeit die Wiedereinbettung des Menschen in die Zeit der äußeren und inneren Natur des Menschen fordert. Da die Neugestaltung des Verhältnisses zwischen naturalen und kulturalen Zeiten den Einzelnen aber zum großen Teil überfordert, kann dies nur als politische Aufgabe begriffen werden. Dabei spielen u.a. Räume des Ausruhens und Innehaltens, gewissermaßen Zeitinseln, eine zentrale Rolle. Daher auch der etwas merkwürdige Titel: „Chillout“ kommt vom Englischen „to chill“ für abkühlen, ein Vorgang, wie er z.B. nach einem Rave oder einem Drogentrip notwendig wird. Bezogen auf das Leben in der Hochgeschwindigkeits- und Nonstop-Gesellschaft: „Erst das Aufatmen ermöglicht es, Distanz zu scheinbar unumgänglichen Handlungen zu gewinnen. Und erst diese Distanz erlaubt den schonungslosen Blick auf die Absurdität des alltäglichen Tuns.“

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